Die Radgenossenschaft ist Mitglieder bei der FUEN

Ein Erfolg für die Jenischen auf europäischer Ebene

Die Radgenossenschaft ist Mitglied der FUEN – der Föderalistischen Union europäischer Nationalitäten
Am 9. September 2023 hat der Jahreskongress der FUEN beschlossen, die Radgenossenschaft als assoziiertes
Mitglied aufzunehmen.
Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) ist die Hauptvertreterin und der grösste
Dachverband der sogenannten «autochthonen» – also alteingesessenen – nationalen Minderheiten,
Nationalitäten und Sprachgemeinschaften Europas. Unter ihrem Dach vereint sie derzeit 110
Mitgliedsorganisationen aus 36 europäischen Ländern. Sie ist die Stimme der Minderheiten bei internationalen
Organisationen, der Europäischen Union, dem Europarat, den Vereinten Nationen und der OSZE und unterhält
Büros in Berlin, Flensburg, und Brüssel.
Die Radgenossenschaft, vertreten durch ihren Geschäftsführer, wurde als Organisation der Jenischen am
Kongress herzlich begrüsst vom Tagespräsidenten Bahne Bahnsen. Wir stellten die Radgenossenschaft in
einer Präsentation vor, die offensichtlich Vergnügen bereitete und gemäss Reaktionen manche neuen
Erkenntnisse bot. Und wir selber lernten Europa besser kennen, nämlich mit einem Blick «von unten», dem der
Minderheiten: So kamen wir etwa in Kontakt mit Türken in Griechenland, anwesend war der Zentralrat der
Roma und Sinti in Deutschland, es sprachen Krimtataren über ihr Schicksal, wir lernten Friesen und Dänen in
Deutschland kennen, verabschiedet wurden Resolutionen zu den Katalanen in Spanien und zu den
Minderheiten in der Ukraine
Am Jahreskongress der FUEN in der Stadt Pecs in Ungarn am 9. September 2023, wurde die Aufnahme
einstimmig beschlossen. Dies ist für die Radgenossenschaft ein Durchbruch. Wir verstehen uns als eine
Stimme der Jenischen in Europa und können dies nun als erstes jenisches Mitglied in der FUEN zur
Geltung bringen. Wir bewerten die Aufnahme als weiteren Schritt auf europäischer Ebene zur Stärkung
und zur Anerkennung der Jenischen in Europa und in jedem europäischen Land.
Die Jenischen werden sichtbar!

Die Radgenossenschaft, Zürich, 11. September 2023

2025-03-18T13:18:50+01:0018. March 2025|

Wer sind die Jenischen

Wer sind die Jenischen in der Schweiz
Ein kurzer Einblick in eine andere Kultur

Die Jenischen sind eine seit Jahrhunderten bestehende Bevölkerungsgruppe in
der Schweiz und den umliegenden europäischen Ländern. Da ein Teil von ihnen
mindestens im Sommerhalbjahr auf Reise ist und Kunden besucht, werden sie
auch „Fahrende“ genannt. Der Volksmund spricht meist abschätzig auch von
„Zigeunern“.
Seit 2016 sind die Jenischen zusammen mit den ihnen nahestehenden Sinti als
nationale Minderheit der Schweiz anerkannt.
Gewerbetreibende und Händler
Jenische sind traditionell in gewerblichen Berufen tätig oder verdienen ihren
Lebensunterhalt durch Hausieren von Haus zu Haus. Doch heute sind sie nicht
mehr als Scherenschleifer, Schirmflicker oder Korber unterwegs, sondern bieten
oft moderne Dienstleistungen an wie Hausrenovationen. Jüngere betätigen sich
auch in kulturellen Berufen – vom Computergrafiker bis zur Filmemacherin.
Aber das Handwerkliche bleibt oft weiterhin prägend. Und prägend bleibt das
Bewusstsein, aus einer besonderen Volksgruppe zu stammen.
Eigene Sprache – das Jenische
Jenische haben eine eigene Sprache, die sie gegenüber Sesshaften oft verborgen
halten, dies weil die Verständigung in der eigenen Sprache ihnen in Momenten
der Gefahr eine Hilfe sein kann. Das Jenische ist eine poetische Sprache, die auf
der jeweiligen Sprache, wo sie gesprochen, wird aufbaut – zum Beispiel auf
dem Deutschen oder Französischen –, aber auch Elemente aus anderen Sprachen
enthält, etwa dem Jiddischen oder der Sprache der Sinti-Verwandten. Denn
Jenische sind wegen ihrer Tradition als Händler oft international vernetzt, sie
pflegten seit Jahrhunderten grenzüberschreitende Geschäfte, Kontakte und
Beziehungen. So gibt es Jenische oder verwandte Gruppen in Deutschland,
Österreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden, aber auch in Frankreich
und Italien. Vergleichbar sind auch die Travellers in Grossbritannien und Irland.
Jenische und Roma, zwei Volksgruppen
Verbunden sind Jenische seit jeher mit Roma, die indes eine eigene Geschichte,
eine eigene Sprache und eigene Traditionen aufweisen. Die grosse Mehrheit der
Roma sind sesshaft und leben seit Jahrzehnten in unserem Land, einige Spuren
weisen auf jahrhundertelange Anwesenheit zurück. Gelegentlich begegnen sich
Jenische und fahrende Roma auf den Plätzen. Durch gemeinsam erlebte
Diskriminierungen, aber auch durch Verbindungen in der Geschichte der
Organisationen sowie über die populären Vorurteile und Bilder über „Zigeuner“
sind Jenische und Roma miteinander verbunden.
Massiv verfolgt, die Kindswegnahmen
Jenische und Sinti sind in der Schweiz im 20. Jahrhundert wegen ihrer
Lebensweise und teilweise auf Grund von Projektionen der Sesshaften massiv
verfolgt worden. Viele Sesshaften glaubten, Jenische seien schlechte Eltern,
seien chronische Alkoholiker und regelmässige Diebe, weshalb die Organisation
Pro Juventute sich mit Hilfe von Bund und Kantonen vornahm, diese Menschen
zu „normalen Bürgern“ zu machen. Das geschah, indem man den Eltern ihre
Kinder wegnahm. Seit Mitte der zwanziger Jahre wurden mindestens 600
Kinder ihren Eltern entrissen, teilweise zwangspychiatrisiert und in Heime
gesteckt. Vermutlich sind es viel mehr, da auch andere Hilfsorganisationen wie
etwa das „Seraphische Liebeswerk“ in Solothurn und manche Gemeinde
behörden an diesen Massnahmen beteiligt waren. Viele Betroffene leiden heute
noch darunter, da diese Massnahmen erst Anfang 1970er Jahren eingestellt
wurden. Und das jenische Volk leidet als Ganzes darunter, da mit den
Verfolgungen ein Selbstbewusstsein beschädigt wurde und ein
Kulturzusammenhang unterbrochen wurde, womit oft die stabilisierende Kraft
der Tradition verlorenging.
Neuorganisation in den 1970er Jahren
Seit den 1970er Jahren haben sich die Jenischen in der Schweiz zu organisieren
begonnen. Die Radgenossenschaft der Landstrasse (heutiger Präsident: Daniel
Huber) ist die wichtigste Organisation, die aus dieser Erneuerung hervorging
und 1985 gegründet wurde. Sie gilt auch als „Dachorganisation“ der Jenischen.
Doch mit der Selbstorganisierung waren die Schwierigkeiten nicht beseitigt.
Denn Jenische haben einerseits weiterhin mit Vorurteilen der Sesshaften zu
kämpfen. Und anderseits ringen sie mit den inneren Problemen, die oft mit ihrer
eigenen Geschichte zu tun haben: Traumatisierungen, Verunsicherungen,
Aggressionen, auch mangelnde Schulbildung. Das führt unter anderem dazu,
dass jenische Organisationen oft von der Hilfe von Sesshaften abhängig sind.
Das hat sich wiederholt als problematisch erwiesen, da Sesshafte immer wieder
eine Neigung zeigten, zu dominieren und Jenische zu bevormunden, wenn nicht
gar abschätzig zu behandeln oder auszubeuten.
Viele Fähigkeiten
Da Fahrende in den Sommermonaten oft unterwegs sind, erfolgt auch die
Bildung anders als bei Sesshaften. Jenische lernen Sprache, Kultur und
Traditionen zuerst bei den Eltern, sie sind meist ausserordentlich geschickt im
Handwerklichen, sie lernen intuitiv neue Tätigkeiten, wenn es der Markt
erfordert, und sie kennen das Geschäft des Handelns. So sind sie imstande, sich
praktisch in jeder Konjunktur und in jeder neuen wirtschaftlichen oder
technologischen Situation zu behaupten. Da sie aber oft nur teilweise die Schule
besucht haben, ist umgekehrt ihre formale Schulbildung manchmal niedrig:
Schreiben, lesen, Rechnen und Buchführung ist leider nicht, was Jenische
unterwegs mit ihren Eltern am besten lernen. Auch das Juristische und
Behördenformulare stellen oft eine abstrakte und entfernte Welt dar. Heute
äussern ältere Jenischen selber den Wunsch, ihren Kindern und Enkelkindern zu
einer besseren Bildung, als sie selber genossen haben, zu verhelfen
Jenische brauchen manchmal auch im Deutschen eigenartig scheinende
Formulierungen; hier kommen manchmal Konstruktionen aus der jenischen
Sprache zur Wirkung.
Anerkannt durch internationale Vereinbarungen
Jenische und Sinti bilden im Rahmen der Schweizer Staatlichkeit eine kulturell,
politisch und sozial eigenständige Volksgruppe, welche als die einzige territorial
nicht gebundene nationale Minderheit in der Schweiz anerkannt ist. Die Schweiz
hat 1998 die europäische Konvention über den Schutz der Minderheiten
unterzeichnet und versteht darunter ausdrücklich die Jenischen und Sinti, wie
Bundesrat Alain Berset an der „Fecker-Chilbi“ in Bern 2016 erklärt hat. Ebenso
ist das Jenische als Sprache – gleich wie das Jiddische – als territorial nicht
gebundene Minderheitensprache anerkannt. Daraus folgt die Verpflichtung für
die Behörden aller Stufen, jenische Kultur zu unterstützen und zu schützen –
ohne die Jenischen als Personen zu bevormunden.

Radgenossenschaft der Landstrasse

2024-12-10T12:55:54+01:0010. December 2024|

Offener Brief an Bundesrätin Baume-Schneider: Wir fordern, dass die Aktion Kinder der Landstrasse als kultureller Genozid anerkannt wird!

Jenische Organisationen und Persönlichkeiten haben im Januar 2024 einen offenen Brief an Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, Vorsteherin des Departementes des Innern, gerichtet.

Darin fordern sie den Bundesrat auf, die Familienzerreissungen durch die Aktion «Kinder der Landstrasse» der bundesnahen Stiftung Pro Juventute als «Kulturellen Genozid» zu verurteilen. Der Brief ist unterzeichnet von der Radgenossenschaft der Landstrasse, der Dachorganisation der schweizerischen Jenischen und Sinti, von der transnationalen Organisation Schäft Qwant sowie vom der Westschweizer Organisation Jenisch-Manisch-Sinti JMS. Im weiteren von Personen, die am eigenen Leib betroffen sind, weil sie selbst verfolgt wurden oder weil die Mutter oder der Vater und weitere Verwandte verfolgt wurden.

Sie finden hier den offenen Brief an Bundesrätin Baume-Schneider hier:

Brief BR Baume Schneider Genozid mit Unterschriften DE

 

2024-12-09T14:06:30+01:0029. January 2024|

Statuten

Die ergänzten Statuten der Radgenossenschaft, angenommen an der Generalversammlung 2018. Es kann grundsätzlich jede Person Mitglied werden, welche die Ziele der Radgenossenschaft unterstützt und den Mitgliederbeitrag bezahlt; der Verwaltungsrat muss die Aufnahme bestätigen. ergänzte Statuten verabschiedet an der GV 2018

2022-12-05T10:19:51+01:002. December 2022|

Was wir tun

Zum Anklicken: Infobroschre_2016_klein

Die Radgenossenschaft wurde 1975 gegründet und ist seit 1985 die vom Bund anerkannte und subventionierte Dachorganisation der Jenischen und sinti in der Schweiz. Sie tritt auch für die Rechte der Roma ein.

Die Schwerpunkte unserer Tätigkeit sind:

2019-04-02T17:34:39+02:002. April 2019|

Max Läubli gestorben

Wir betrauern Max Läubli

Wir haben soeben erfahren, dass der Kunstmaler Max Läubli im Alter von 85 Jahren gestorben ist. Er war in den 1990er Jahren Sekretär der Radgenossenschaft, ein engagierter Aktivist und liebenswürdiger Mensch. Bekanntgeworden ist er vor allem auch durch seine vielen Illustrationen, die er im “Scharotl” veröffentlicht hat. Sie haben das Bild der Zeitung in jenen Jahren geprägt. Wir publizieren hier das Titelbild vom Juni 1996. Das übrigens dokumentiert, dass die Probleme in den letzten zwei Jahrzehnten unverändert dieselben geblieben sind. Weiter Illustrationen werden wir im Sommer-Scharotl veröffentlichen. Wir halten Max Läubli in ehrendem Andenken und entbieten seinen Angehörigen unser herzliches Beileid. Die Radgenossenschaft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Scharotl Illustration Max Läubli

2024-12-10T12:43:44+01:006. February 2018|

Anerkennung der Jenischen und Sinti – Zum Entscheid des Bundesrates (21. Dezember 2016)

Die Radgenossenschaft der Landstrasse begrüsst, dass der schweizerische Bundesrat am Mittwoch, 21. Dezember 2016 beschlossen hat, die Jenischen und Sinti in der Schweiz anzuerkennen. Dies ist ein längst fälliger Schritt, den wir seit den 1990er Jahren verlangt haben. Der Gesamtbundesrat bestätigt nun, was Bundesrat Alain Berset bereits am 15. September 2016 in einer historischen Rede an der Feckerchilbi in Bern ausgesprochen hat.

Dass die Jenischen und Sinti nun endlich als ethnische nationale Minderheit der Schweiz gelten, ist vor allem der Petition zu verdanken, welche die Radgenossenschaft, der Verein Schäft Qwant und die Cooperation jenische Kultur im Frühling dieses Jahres eingereicht haben.

Wir erwarten nun, dass der Bund sich stärker engagiert bei der Schaffung von Stand- und Durchgangsplätzen, dass er Projekte für Stärkung der Kultur der Jenischen unterstützt und seinen Einfluss geltend macht, dass die anerkannten Minderheiten endlich auch Eingang in den regulären Schulstoff finden.

Die Radgenossenschaft setzt sich dafür ein, dass die Jenischen zusammen mit den Sinti / Roma auch europaweit anerkannt werden und unterstützt entsprechende Bestrebungen unserer befreundeten Organisationen in den Nachbarländern und den übrigen europäischen Ländern.

2025-01-27T15:01:14+01:0022. October 2017|
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